Das Zugvogelgleichnis

Schon mal darüber nachgedacht, dass dein Austauschjahr nach der Rückkehr nicht zu Ende ist? Wenn du dir die Mühe machst, dich in diesen Artikel einzulesen, wird er dir interessante Frag.

Zahme Vögel singen von der Freiheit, wilde Vögel fliegen.

Jeder Mensch wird als kleines hilfsbedürftiges Wesen ins Nest seiner Eltern geboren. Dort ist das unschuldige, unwissende Geschöpf auf die Zuwendung der liebenden Eltern angewiesen, um irgendwann einmal auf eigenen Füßen zu stehen und in die weite Welt hinauszufliegen.

Wir Austauschkinder sind Zugvögel auf unserem Weg zu dem Ort, der uns Heimat wird und die Geborgenheit gibt, die wir im elterlichen Nest genossen haben.

Unsere Lebensgeschichte ist schnell erzählt. Irgendwann schlüpfen wir aus dem Ei, wachsen zu prächtigen Jungvögeln heran und beginnen, den Entdeckungsdrang in uns wahrzunehmen. Dieser treibt uns in ein fernes Land; schon viel eher als andere diesen ersten Schritt in die Unabhängigkeit wagen wollen. So werden wir zu frühen Nestflüchtern, die durch ihre erste große Reise in Schwärmen in anderes Territorium erfahren, wie andere Vögelstämme lieben, leben und streiten.

Das neue Nest, in dem wir uns niederlassen dürfen, wirkt wie ein Spiegel, weil wir nun erkennen, was uns Gutes wiederfuhr, was wir so nicht mehr leben wollen und wie man nahrhafte Alternativkörner aufspürt und selbst aussäat. Manche unter uns finden sogar ihre andere Heimat im Austauschland.

Nach einem Jahr in der einst fremden Vogelkultur kehren wir zurück ins „home-home“-Land. Dort zwitschern, picken und flattern wir oft selbständiger und selbstbewußter umher, denn wir haben nun eigene kräftige Stelzen und uns ist während der „Zeit im Süden“ ein eigener Schnabel gewachsen. Wir versuchen uns wieder einzufinden und lassen neue Melodien verlauten, denn die Suche nach dem eigenen wärmenden Plätzchen für uns auf Erden ist nicht zu Ende...

Zum Problem könnte allerdings die Heimatlosigkeit werden, wenn wir zwischen den beiden Welten umherirren, obgleich das Pendeln zwischen beiden Kulturen für die meisten mehr oder weniger lebensbestimmend wird.

Viel interessanter aber stellt sich die Frage, warum sind wir so frühe Nestflüchter? Liegt es schlichtweg nur an der Abenteuerlust und der Sehnsucht nach dem Süden? Oder stecken nicht tatsächlich bei vielen Fluchtgedanken dahinter? Flucht vor Spannungen in der Familie, Flucht vor dem grauen Alltag, den Verpflichtungen in Schule und zu Hause? Verständlich, wenn auch bedenklich.

Wenn man zurückkehrt, zwingt einen die Realität, sich durchzupicken und die schwere Mission anzutreten, das eigene Nest so annehmbar wie möglich auszubauen. Oder können Flügel im Dauerakkord schwingen und einen hinübertragen?