Weiße Socken

Wie man die Unkenntnis eines Austauschschülers ausnutzen kann. Lustig und ganz schön gemein :o)

Austauschschüler haben ein Risiko. Sie kennen die Eigenheiten ihres Gastlandes noch nicht sehr gut. So kann es vorkommen, daß hinterlistige Gastgeschwister dieses Unwissen ausnutzen.

Scott war seit zwei Wochen Austauschschüler in unserer Familie. Ohne große Mühe fand er sich recht schnell in unserer Familie zurecht und wußte und konnte viele Dinge besser als wir. Paps erklärte er, wie er die Obstbäume zu schneiden hat und unsere Mutsch bekam erläutert, daß eine ganze Menge Wäsche, die sie bisher immer bügelte, eigentlich gar nicht gebügelt werden muß. Pure Zeitverschwendung. Kurz, er war ein Teenager wie wir.

Meine Schwester und ich haben gelegentlich die Fähigkeit, uns blind zu verstehen. So kam es, daß wir uns eines Tages während einer Unterhaltung mit Scott anblickten und darauf unsere Blicke nicht mehr von seinen weißen Tennissocken nahmen. Scott wurde darauf aufmerksam und zunehmend neugieriger, aber meine Schwester und ich sahen uns einfach nur bedeutungsvoll an und schwiegen, wohlerzogen wie wir waren.

Scott, zusehends erregter, fragte uns im schönsten Dialekt "Waas? Sag mal... waaas? Was is denn los?" Seine Geschwistern amüsierten sich zusehends (natürlich ohne dies zu zeigen). Sie schauten und schwiegen weiter.

Nach einiger Zeit, wir schauten und Scott fragte uns eindringlichst, was denn sei, begannen wir so langsam mit der Sprache rauszurücken. "Nun, in Deutschland..." "Was denn, was denn?" "Nun, in hier trägt nicht jeder..." "Was denn..." "Nun... hier, wenn man weiße Socken trägt, dann... dann bedeutet das..." "???" ".. dann bedeutet das, daß man nicht am anderen Geschlecht interessiert... daß man halt nach dem eigenen Geschlecht Ausschau hält." Nun war sie raus die Gemeinheit und der Rest war ein Selbstläufer.

So schnell hatte Scott wahrscheinlich im ganzen Leben noch keine Socken ausgezogen. Am nächsten Tag ging er ohne, nur mit Schuhen bekleidet, zur Schule (als vorbildlich US-amerikanisch ausgestatteter Jugendlicher hatte er natürlich nur weiße Tennissocken im Repertoire) und als er Nachhause kam, erzählte er uns aufgeregt, wieviele weiße Strümpfe er den Tag über gesehen hätte und er sei über deren Anzahl sehr erstaunt. Sogar sein Deutschlehrer sei darunter. Auch wolle er wissen, wo er sich neue Socken kaufen könne...

Nach drei Tage redete er wieder mit uns. Aber vergessen werden wird er es wohl nie. Wir auch nicht. Er, weil es ihm wohl furchtbar peinlich war und uns, uns plagt das schlechte Gewissen.