„Ich hoffe, ich nehme etwas von dem chinesischen Fleiß und Respekt wieder mit nach Deutschland“

Omid ist als Kind einer chinesischen Mutter in Deutschland aufgewachsen. Zurzeit verbringt er ein Austauschjahr in China. Was ihn besonders fasziniert, ist der Alltag in der Schule.

Meine Mutter kommt aus China und ist relativ jung zum Studieren nach Deutschland gekommen. Sie und auch mein Vater, der aus dem Iran kommt, haben früher immer in ihren Muttersprachen mit mir gesprochen. So bin ich also eigentlich dreisprachig aufgewachsen. Doch als größeres Kind habe ich irgendwann angefangen, nur noch auf Deutsch zu antworten. Ich konnte Chinesisch also verstehen, aber nicht perfekt sprechen. Das fand ich schade, denn die Kultur und die Sprache Chinas sind sehr interessant und es wird auch in meinem Berufsleben sehr wichtig für mich sein, Chinesisch sprechen zu können. Außerdem war ich nur einmal als ganz kleines Kind in China gewesen, daran konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Deshalb habe ich mich entschieden, als Austauschschüler nach China zu gehen.

Morgensport und Augentraining: Der Alltag in der Schule

Inzwischen bin ich seit drei Monaten hier. Ich hatte vorher schon gehört, dass die Schüler hier sehr fleißig sind und dass das Schulleben ganz anders abläuft. Das ist auch wirklich so und komplett neu für mich. Ich gehe morgens um acht Uhr mit Schuluniform in die Schule. Montags wird dann erstmal die Nationalhymne gesunden und die Flagge gehisst. An den anderen Tagen haben wir zwanzig Minuten Morgensport. Morgens höre ich dann drei Stunden lang im normalen Unterricht zu. In Physik und Chemie komme ich aber nicht mit, weil ich von meiner Mutter in Deutschland nur die chinesische Alltagssprache gelernt habe. Und in Mathe ist die Klasse auch fachlich viel weiter als meine Klasse in Deutschland. Zwischen der zweiten und dritten Stunde gibt ein Augentraining, wo die Schüler ihre Augenbrauen und Wangenknochen streichen, damit sie über den Tag fitter und nicht so müde sind. Darauf freuen sich die meisten. Danach habe ich gemeinsam mit einer anderen Austauschschülerin Chinesischunterricht und schließlich können wir zwei Stunden lang in der Bibliothek lernen. An diesen Ablauf habe ich mich schon gewöhnt.

Fleiß und Respekt vor Autoritäten

Ich muss von der Schule her nur das Fach Chinesisch bestehen, aber schon damit habe ich große Probleme. Man muss die Schriftzeichen sehr oft wiederholen, damit man sie lernen und lesen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die chinesischen Schüler mit zehn verschiedenen Fächern zurechtkommen. Sie müssen im Unterricht alles mitschreiben und jeden Tag drei Stunden Hausaufgaben machen. Die Schüler arbeiten sehr hart und jeder versucht, der Beste zu sein. Manchmal deprimiert es mich, dass ich nicht so gut bin wie sie. Mein Chinesischlehrer hat mir einmal gesagt, dass ich zu faul bin und dass ich härter arbeiten soll. Das war schlimm für mich, weil ich mich viel mehr angestrengt hatte als in Deutschland und trotzdem nicht auf dem Niveau angekommen bin. Die Lehrer sind hier für die Schüler Idole. Aber ich hatte auch schon sehr schöne Momente hier in China: Einmal stand ein Chinesischtest an und ich musste dafür in zwei Tagen vier Kapitel lernen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich das schaffe, und die Lehrer auch nicht. Und dann habe ich das geschafft und 92 von 100 Punkten bekommen. Da habe ich mich sehr, sehr gefreut! Ich hoffe, dass ich nach meiner Rückkehr auch in Deutschland fleißiger bin und mehr Respekt vor meinen Eltern und Lehrer habe.

Nationalstolz in Deutschland und China

Ich merke auch, dass ich mich jeden Tag ein bisschen mehr wie ein Chinese fühle und auch ein bisschen stolz darauf bin. Das liegt daran, dass die Chinesen um mich herum so einen großen Nationalstolz empfinden, auch das ist ganz anders als in Deutschland. Man ist sogar stolz auf jeden Kaiser oder politischen Führer, auch wenn diese Menschen für schlimme Dinge verantwortlich sind. Darüber würde ich aber nicht mit Chinesen diskutieren, weil ich mich mit der Politik selbst nicht genug auskenne.