Ich gebe wirklich gerne Tipps und Ratschläge…sonst wär ich schon lange nicht mehr in den Foren lol
Allerdings ist es auch nicht einfach, sich etwas Konkretes „auszudenken“, wenn man selber nicht die genaue Situation vor Ort kennt.
VIELES von euren „Problemen“ ist auch eine Einstellungssache. Und da kann ich nicht umhin, nochmal wieder von den ausgewählten Orgas anzufangen…(ich weiß, das hört ihr nicht so gerne…aber ich will nicht EUCH angreifen, sondern mich macht das Vorgehen der Orgas darin so wütend!). Es ist genauso, wie Philipp es beschreibt: Ihr bekommt VOR eurem Jahr bunte Prospekte in die Hand gedrückt, die glückliche, lachende ATS zeigen, die offensichtlich „das beste Jahr ihres Lebens“ mit „tausend“ einheimischen Freunden haben. Niemand kann es Kids in eurem Alter verübeln, dass ihr dadurch die Vorstellung(Einstellung) und Erwartungshaltung bekommt, es sei IMMER so und für euch dann auch, wenn ihr weg seid. Aber es ist schlicht und einfach WERBUNG!!
Und genau DAS ist der Unterschied zu einigen anderen Orgas, die eben nicht mit bunten Bildchen werben (was natürlich im 1. Moment dann nicht so ansprechend ist…) und die dann auch ganz anders auf dieses Jahr vorbereiten! Ich weiß z.B., dass GENAU dieses, was ihr jetzt erfahrt, ein Teil der VBT über eine ganze Woche bei YFU ist! (will jetzt gar keine Werbung für YFU machen - ist nur, weil ich es da von meinen kids genau weiß…)Die Kids dort werden darauf vorbereitet, dass sie nicht DER Hit schlechthin sein werden an ihrer Schule, dass sie sich Kontakte (ein soziales Umfeld) hart erarbeiten müssen, dass sie in bestehende peer groups eindringen (wollen), die sich vor Ort über JAHRE entwickelt haben und ihr (kulturell bedingtes) eigenes Leben haben, dass sie sich dem anpassen bzw. unterordnen müssen. Das bedeutet auch, dass man seine eigenen (Wert-)vorstellungen in den Hintergrund stellen muss (nicht komplett aufgeben - das ist damit nicht gemeint!) und mal beobachten und gucken muss, wie das Werte-system im Gastland abläuft.
DAS IST NICHT EINFACH!!!
Stellt euch mal den umgekehrten Fall vor und versetzt euch in einen ATS, der an eure Schule zu Hause kommen würde:
Ihr würdet es genauso machen. Zuerst ist derjenige interessant, weil es neu ist und man einiges über ihn erfahren möchte. Aber mit der Zeit kehrt dann auch für euch der Alltag zurück. Ihr müsst ackern, damit ihr eure Zensuren haltet (), ihr habt euren festen Freundeskreis, ihr habt ne gewisse Routine und auch einen ganz gewöhnlichen Alltag mit euren Freunden, …und was ist dann mit dem ATS???
Der muss sehen, wo es für ihn passt, muss sich bemühen, irgendwo mitgenommen zu werden, muss immer wieder fragen, muss sich diesen Gewohnheiten von euch (und euren Freunden) ANPASSEN… oder…ist draußen!
Ihr würdet wohl kaum mit diesem ATS ständig was Spektakuläres machen wollen, ihr würdet auch nicht für ihn eure Gewohnheiten ändern wollen. Ihr würdet ihn „mitnehmen“, wenn er sich euren Gewohnheiten und den Gepflogenheiten eures Freundeskreises anpasst und unterordnet. Halt DAS mitmacht, was ihr sowieso macht. (Viele ATS leiden z.B. hier in D-Land darunter, dass die Schule keine Freizeitaktivitäten anbietet und sie sich selber aktiv etwas suchen müssen…was dann auch noch Geld kostet!)
So ist es ÜBERALL!!!
Dazu kommt noch, wie hier jemand geschrieben hat (sorry, Namen nicht gemerkt), dass an Schulen, wo so VIELE ATS rumflitzen, es NOCH schwieriger ist, weil wirklich so ein „Übersättigungseffekt“ eintritt. Das ist der Nachteil von großen Schulen, an denen zwar das Angebot größer ist, aber die Zahl der aufgenommenen ATS eben auch. Schade dabei ist immer, dass man schnell nur noch auf den Kreis der ATS zurückgreift, weil dort alle das gleiche Problem haben (menschlich, aber eben eigentlich eine vertane Chance). Das sieht dann nämlich für die Einheimischen so aus, als wenn man kein Interesse an ihnen hat!
Letztlich bleibt euch nur, Freundschaften in eurem Austauschjahr mit den Augen der Einheimischen zu sehen. Nicht mit euren gewohnten Massstäben Freundschaften zu suchen, sondern EURE Massstäbe zu ändern und anzupassen.
Philipp, du schreibst: „Ich mein in der Schule hab ich schon so meine Lunch-people. Aber so mit abends irgendwas machen oder am WE… nix!“
Das ist DEIN Massstab (Wertvorstellung) von Freundschaften und Aktivitäten - so wie du es von D-Land gewöhnt bist! Die Erfahrung, die so ein Austauschjahr ausmacht ist, dass ihr für eine Zeit lang SO LEBT, wie es die Menschen in eurem Gastland tun. Da gibt es sicher viele Sachen, die ihr hier in D-Land NICHT tun würdet, die ihr vielleicht auch oberdoof und langweilig findet, die aber in eurem Gastland SO ÜBLICH sind.
Dazu solltet ihr vielleicht mal schauen, wie die Freundschaften und Kontakte der einheimischen Jugendlichen untereinander so ablaufen. Eure Aufgabe in dem Austauschjahr ist es, an den Aktivitäten - so abstrus sie für euch auch sein mögen - Interesse zu zeigen. Zeigt IHR Interesse, dann haben auch die Einheimischen Interesse an euch. Nicht andersrum!
Was ist mit kirchlichen Aktivitäten? Viele Jugendliche gehen in den USA zur Sonntagsschule und haben dort auch ihre Wochenend-Aktivitäten. Das mutet zwar einem Deutschen manchmal etwas komisch und archaisch an - ist aber in den USA eben nicht ungewöhnlich…und wenn man sich darauf einlässt manchmal auch gar nicht soooooo blöd, zumindest die Aktivitäten… Außerdem gibt es nirgendwo soooo viele religiöse Varianten wie in den USA. Das kann auch ganz aufschlussreich sein, die Unterschiede dabei mal zu erkunden.
Jobbende Jugendliche gibt es in den USA auch sehr viele, da sie von früh an für ihre College-Kosten mitarbeiten müssen. Vielleicht könnt ihr mal bei jemanden mitgehen, um die „harte Arbeitswelt“ in den USA kennenzulernen? (Interesse, Interesse…)
Das hauptsächliche soziale Leben eines US-Schülers läuft über die Schule. Auch das ist anders als bei uns! Schule ist nicht nur zum Lernen (Kopflernen) da, sondern auch für alle sozialen Kontakte und Freizeitangebote zuständig. D.h., ihr solltet auf jeden Fall an diesen Freizeitaktivitäten teilnehmen - egal, ob es jetzt was ist, was ihr schon immer mal machen wolltet, oder ob es euch nicht ganz so prickelnd erscheint! Außer sportlichen Aktivitäten gibt es da auch noch ne Menge anderes (für die, die nicht sportfreaks sind…).
Geht in irgendwas rein! Lasst euch drauf ein, wertet nicht so viel (in eurem eigenen Werte-system), probiert aus - auch auf die Gefahr hin, dass ihr es „doof“ findet - es ist eine ERFAHRUNG! Und diese Erfahrung macht es bei den returnees, dass sie am Ende (oder hinterher) von „Freunden“ reden, die sie nur ungern und unter Tränen verlassen!
Für die restliche „Leerlaufzeit“, die ihr in einem fremden Land immer haben werdet, seid selber kreativ - so wie ich es schon Marika geschrieben habe. Macht/probiert Sachen aus, die ihr hier zu Hause NIE machen würdet! Lasst euch mal auf Sachen ein, auf die ihr euch in euren (Wert-)vorstellungen eigentlich nicht einlassen würdet. Es ist immer etwas für eine begrenzte Zeit - ihr müsst es nicht ein Leben lang machen!
Ich kann euch keine konkreten Ratschläge für mehr Aktivitäten oder Freundschaften geben, denn das sieht bei jedem von euch anders aus. Jeder hat andere Bedingungen in seinem Umfeld, jeder von euch hat andere Möglichkeiten, sich auf etwas einzulassen. Ihr müsst es selber herausfinden.
Aber seid kreativ, lasst euch ein, probiert aus, stellt eure Erwartungshaltung in den Hintergrund.
Das ist der Rat, den ich euch geben kann.