Ein Jahr in Atlanta – Zwischen Debattieren und Quatschen

Daniel lebte zehn Monate in Atlanta, der Haupstadt des US-amerikanischen Bundesstaates Georgia. Dort hat der Baden-Württemberger zwei wichtige Dinge kennen gelernt: den American Way of Life und das Debattieren.

Amerikanische Lebensweise – immer höflich und zum Quatschen aufgelegt

Als Daniel im August 2011 nach Atlanta kam war er überrascht. Alle Menschen waren sehr freundlich zu ihm, ob Verkäufer in Geschäften oder die neuen Mitschüler. In Amerika kann man auch mit Wildfremden ein lockeres Gespräch beginnen, das ist Gang und Gebe. Während aber die Deutschen gern den Anfang einer Freundschaft in solchen Gesprächen sehen, haben solche Ereignisse für die Amerikaner keine Nachwirkungen.

„Als ich neu in die Schule gekommen bin, sind alle auf mich zugekommen und wollten wissen wer ich bin“, erinnert sich Daniel. Nach zwei bis drei Tagen war das Interesse an ihm aber wieder schlagartig schnell verschwunden. Ein komisches Gefühl. „Es sind immer alle sehr nett, das ist auch ganz gut“, sagt Daniel. Nur muss man sich erst daran gewöhnen, dass man nicht gleich mit jemand befreundet ist, nur weil man ein etwas längeres Gespräch mit ihm hatte.

Vorteil ist bei der lockeren Art der Amerikaner, dass man schneller in ein Gespräch kommt. Daniel hat mit der Zeit auch echte Freunde gefunden, es dauert nur ein bisschen länger ihre Freundschaft zu gewinnen. Als er zurück nach Deutschland kam, wurde er gleich von einem unfreundlichen Flughafenmitarbeiter angepamt, in diesen Momenten wünscht er sich die oberflächliche Freundlichkeit der Amerikaner zurück.

Das Für und Wider abwägen - Debattieren

Daniel kam mit dem Parlamentarischen Patenschaftsprogramm (PPP) nach Atlanta. Dieses Programm wird vom Deutschen Bundestag und dem Kongress der USA organisiert und finanziert. Grundsätzlich gibt es keine besonderen Voraussetzungen, aber schlecht ist es nicht, wenn man sich in der Politik ein wenig auskennt. „Man muss einen Test machen, aber ich habe auch nicht alle Fragen beantworten können“, erzählt Daniel.

Zu Beginn des Austauschjahres gab es ein „Welcome Meeting“ in Washington D.C. bei dem über außenpolitische Themen gesprochen wurde. Heute würde Daniel vielleicht anders zu solchen Themen diskutieren. In seiner High School hat er alle möglichen Angebote genutzt und darunter war auch der Debattierclub.

„Am Anfang des Schuljahres bekommt man ein Thema“, erklärt Daniel, „wir hatten das Thema Weltraumpolitik.“ Ein Debattier-Team besteht immer aus zwei Schülern. Daniels Team musste sich aus dem großen Themenbereich Weltraumpolitik dann ein spezielles Thema heraussuchen, das sie in Turnieren über das ganze Jahr verteilt verteidigen müssen. Daniel und sein Partner mussten für ihr Thema argumentieren, aber gleichzeitig wissen, was sie gegen Einwände, Contra-Stimmen aus dem gegnerischen Team erwidern könnten. Eine Jury bestimmt in jedem Durchgang, wer besser debattiert hat.

Das Debattieren hat an amerikanischen Schulen und Universitäten eine lange Tradition, die bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Daniel hat das „Debating“ Spaß gemacht, auch wenn die Vorbereitung auf ein Turnier sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Das Abwägen von Pro und Contra beherrscht er jetzt viel besser als vorher. Wer einmal an solchen Debattierrunden an einer High School teilgenommen hat, versteht auch, wie der US-amerikanische Präsident Barack Obama sich gegen den Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney durchsetzen konnte – die beiden haben sicher einen Debattierclub besucht.