Auslandsjahr: Die 10 wichtigsten Fragen
Ein Auslandsjahr ist eine große Entscheidung! Und es gibt gerade zu Beginn weit mehr Fragen als Antworten. Deshalb habe ich die aus meiner Sicht wichtigsten hier zusammengestellt und ein paar Tipps für das Jahr im Ausland dazu gegeben.
Immer mehr Jugendliche möchten ein Jahr ins Ausland gehen. Dafür gibt es viele gute Gründe. Neben den Sprachkenntnissen und den besseren beruflichen Chancen geht es um viel Erfahrungen und auch Spaß. So ein Auslandsjahr ist ein einmaliges Erlebnis und eine einzigartige Erfahrung. Es ist durch nichts zu ersetzen! Kein Buch, Film, keine Erzählung oder Schule kann auch nur annähernd ein Ersatz dafür sein:
"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon." Aurelius Augustinus (354 - 430)
Damit sich der Traum vom Auslandsjahr auch erfüllt, hier nun die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Welche Varianten gibt es, ein Jahr im Ausland zu verbringen?
- Ein Schüleraustausch ist für 15 bis 18-jährige Schüler vor dem Schulabschluss (bei Realschülern auch danach) gedacht. Du lebst in einer Gastfamilie und gehst auf eine private oder öffentliche High School. Es muss nicht unbedingt ein echter "Austausch" stattfinden, aber es hat Vorteile, wenn deine Eltern im Gegenzug einen Austauschschüler aufnehmen. Der Auslandsaufenthalt kann ein ganzes Schuljahr oder 6 Monate sein. Ich empfehle jedoch das ganze Jahr, da erst nach einigen Monaten man sich richtig eingelebt hat, Freunde gefunden und die Sprache erlernt hat. Viele Austauschschüler berichten, dass sie erst die zweite Hälfte des Austauschjahres so richtig genießen konnten. In der ersten Zeit plagten sie häufig Heimweh und Kulturschock.
- Au-pair ist ein Auslandsaufenthalt, bei dem du die Kinderbetreuung und Haushaltsarbeiten in der Gastfamilie übernimmst. Dafür entstehen für dich keine Kosten für Unterkunft und Verpflegung (du zahlst nur Flug und ggf. Versicherungspolicen). Du erhältst von der Gastfamilie ein Taschengeld. Wie viel du bekommst und wie viele Stunden zu arbeiten musst, ist je nach Land verschieden. Deine freie Zeit kannst du nach Belieben verwenden. Als Au-pair kannst du schon während der Schulzeit arbeiten. Viele Agenturen vermitteln aber nur volljährige Au-pairs.
- Ein Auslandsstudium oder Auslandssemester bietet sich nach dem Grundstudium/Bachelor an. Im Idealfall würdest du einen Teil deiner Studienzeit einfach im Ausland absolvieren. Erhältst vielleicht noch Auslands-BAföG und wirst durch die Uni unterstützt. Du wohnst meist in einem Studentenheim, oft mit anderen internationalen Studenten zusammen. Damit fällt der Kontakt zu den Einheimischen etwas schwerer und das Studium kann sehr arbeitsintensiv sein.
- Sprachreisen kann man in jedem Alter und in verschiedener Dauer und Intensität machen. Von kürzeren Sprachkursen im Ausland, Sprachurlaub oder mehrmonatigen Auslandsaufenthalten ist alles möglich.
- Bei Work & Travel gehst du in ein Land um gleichzeitig zu arbeiten und herumzureisen. Mit dem Arbeiten finanzierst du den Aufenthalt und lernst viele Leute kennen. Als Schüler bist du allerdings noch zu jung.
- Mit Freiwilligenarbeit bringst du dich unentgeltlich in soziale Projekte ein und arbeitest mit anderen engagierten Leuten zusammen. Damit kannst du einen wertvollen Beitrag leisten und Land und Leute kennen lernen.
2. Für welche Variante des Auslandsjahres entscheide ich mich nun?
Wenn du unter 18 Jahren bist und für längere Zeit ins Ausland möchtest, kannst du es vereinfacht so sehen: Sprachreisen und Arbeiten im Ausland "laufen" einem nicht weg. Das kann man auch noch während dem Studium oder später machen. Ein Auslandsstudium ist ohnehin meist auf die Zeit in der Mitte des Studiums eingeschränkt und Sprachreisen sind generell von kurzer Dauer. Damit bleibt für 14 bis 17-Jährige nur der Schüleraustausch!
3. In welches Land sollte ich am besten gehen?
Du kannst hingehen, wohin du willst! Aber, (ja immer diese "aber") manche Länder sind einfach vergleichsweise teuer. Ein Jahr in Australien, Neuseeland oder Kanada ist einfach einige tausend Euro teurer als die USA oder Großbritannien. Andere Länder sind noch einmal deutlich günstiger (z.B. Osteuropa). Wenn es bei deinem Auslandsjahr also an den Finanzen hängt, wirst du vielleicht auch Kompromisse eingehen müssen.
4. Soll ich das Auslandsjahr privat organisieren oder eine Austauschorganisation nehmen?
Innerhalb der EU kann man schon einmal über ein privat organisiertes Austauschjahr nachdenken. Zumal es dafür Jugendwerke oder andere Verbände für Völkerverständigung zwischen den Ländern gibt, die dabei helfen. Außerhalb der EU wird es schwieriger oder gar problematisch. Denn es ist nicht zu unterschätzen, wie schwierig und aufwändig es ist, eine Gastfamilie, eine Schule und ein Visum usw. zu organisieren, wenn man sich damit nicht auskennt oder gar die Fremdsprache nicht gut spricht. Da kann das Auslandsjahr schnell auch mal ins Wasser fallen - unnötiger Weise. In den USA ist es zudem teurer, das Jahr privat zu organisieren, da man ohne Austauschorganisation Schulgeld bezahlen muss.
5. Wieviel kostet ein Auslandsjahr?
Der Programmpreis für ein Schüleraustauschjahr geht ab 5.000 Euro los. Für die USA sind es etwa 9.000 Euro und die genannten teuren Länder sind meist über 10.000 Euro. Bei Privatschulen wird es noch einmal wesentlich mehr. Hinzu kommen ein paar Gebühren oder manchmal noch Versicherungen und das Taschengeld. Dabei sollte man mit ca. 300 Euro pro Monat planen. Ausflüge, besondere Veranstaltungen und Reisen sind natürlich noch einmal extra.
6. Was mache ich, wenn meine Familie sich das Austauschjahr nicht leisten kann?
Das Jahr zu Hause ist ja auch nicht kostenlos, gerade wenn man einmal im Jahr in den Urlaub fährt - also quasi einmal vor dem Auslandsjahr und einmal danach. Das könnte man sich schon sparen. Das Taschengeld verbraucht man auch zu Hause zum großen Teil, nur es ist nicht ganz so offensichtlich. Es hilft auch den Programmpreis als Investition zu sehen und über den langen Zeitraum zu verteilen. Auch ein Vergleich mit einem Sprachkurs hilft zu erkennen, dass es eigentlich gar nicht so teuer ist. Alleine die Sprachkenntnisse bekommt man nie wieder so günstig und die Erfahrungen sind einfach unbezahlbar. Wenn man den Betrag dann erst einmal in die richtige Perspektive gerückt hat, sollte klar sein, dass es keinen Sinn macht das Auslandsjahr wegen des Geldes hinzuwerfen. Nun kann man über die Finanzierung genauer nachdenken und zum Beispiel prüfen, welche Stipendien für einen in Frage kommen. Viele Stipendienprogramme gemeinnütziger Organisationen (AFS, YFU etc.) richten sich an Schüler, deren Familien sich ein Austauschjahr nicht leisten können. Das Auslands-BAföG sollte bei geringem Einkommen immer greifen und auch ein Bildungskredit würde ich zur Not verwenden.
7. Welche Austauschorganisation wähle ich?
Von den etwa 60 Organisationen bieten fast alle ein Auslandsjahr in den USA an. Bei anderen Ländern wird es vielleicht nur noch eine Hand voll passender Organisationen geben. Entscheidend ist auch, ob du ein Stipendium brauchst. In dem Fall bleiben fast nur noch die gemeinnützigen Organisationen mit einem relativ großen eigenen Stipendientopf übrig. Mein Tipp: Lass dir die Vertragsunterlagen zusenden, lies den Vertrag und die AGBs und prüfe, nach welchen Gesetzen der Vertrag gilt. Nach deutschem Recht in Deutschland oder müsste man sein Recht im Ausland einklagen? Und war es überhaupt möglich den Vertrag mit allen Bedingungen zu verstehen? Wie reagiert die Organisation bei Nachfragen? Auch gibt es noch viele andere Auswahlkriterien.
8. Wie läuft die Bewerbung ab?
Viele "Bewerbungen" sind keine eigentlichen Bewerbungen mehr. Wenn alle Teilnehmer genommen werden, dann ist es nur noch eine Anmeldung mit mehr oder weniger Formalitäten. Die Eignung für ein Auslandsjahr wird bei manchen Organisationen allerdings sehr intensiv, mit Bewerbungsmappe (Zeugnis, Motivationsschreiben, Lehrergutachten) und Auswahlverfahren geprüft. Wenn du engagiert, aufmerksam und selbstkritisch in diese Auswahlrunden gehst, wirst du dir keine großen Sorgen machen müssen.
9. Was für eine Gastfamilie bekomme ich?
Die Gastfamilie ist der Lebensmittelpunkt während deines ganzen Auslandsjahres! Sie wird aber mit Sicherheit nicht deinen Vorstellungen entsprechen. Bei welchen Mitschülern in deiner Klasse könntest du dir vorstellen ein Jahr in der Familie zu leben? Andere Familien sind eben anders. Dann kommt die andere Kultur noch hinzu und die Lebensumstände (Kinder, Beruf, Wohnort, Alter) entsprechen vielleicht auch überhaupt nicht deinen Erwartungen. Die Familie kann also vom wohlhabenden Rentnerpaar in Florida bis hin zur chaotischen Großfamilie auf dem Land mit 10 Tieren sein. Meist liegt es irgendwo in der Mitte. Und das Beste ist, dass selbst die extremen Kombinationen nicht unbedingt schlecht für dein Auslandsjahr sein müssen. Vielleicht eröffnet es ja auch Möglichkeiten und einen Reiz, den man so vorher nicht planen kann.
10. Wann bekomme ich meine Gastfamilie?
Im Durchschnitt etwa drei Monate vor Abreise, aber auch 2 Wochen vorher kann passieren. Es gibt aber immer wieder auch Schüler, die zunächst in Übergangsfamilien untergebracht werden, da es nicht gelang rechtzeitig eine Gastfamilie zu finden. Da muss man sich dennoch keine Sorgen machen. Ein kleiner Hinweis am Rande: Auch wenn es zeitlich knapp wird, bitte an ein kleines Gastgeschenk für die Gastfamilie denken. Mit Abschiedsgeschenken verhält es sich ähnlich.
Wenn Ich den Artikel schon mit einem Zitat begonnen habe, kann ich ihn auch mit einem schönen Zitat zum Auslandsjahr abschließen:
"Der kürzeste Weg zu dir selbst führt einmal um die Welt." Richard Hoffmann (*1938), dt. Fotograf